Seemannschaft - Marine - Jachtsport

Eine Kleine Ausstellung in der UB Graz, Dezember 1998 bis Jänner 1999

Ausstellung verlängert bis 26.2.99!

Zitate und Auszüge

Österreichische Seemannssprache

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Die kleine Ausstellung in den schönen Räumlichkeiten der Grazer Universitätsbibliothek richtet sich an alle Freunde der Marine; speziell aber ist sie gedacht für all jene Zeitgenossen, die auf einem Törn in der Adria die Schönheiten des Segelns genossen und dabei Liebe und Interesse an Wurzeln und Hintergründen entdeckt haben.

Der derzeit sehr populäre Jacht-Tourismus hat eine breite Masse mit vielen kleinen und kleinsten Vorschriften und Regeln, Geräten und Verrichtungen konfrontiert, die mehr oder weniger hingenommen, oft aber in ihren Ursprüngen nicht völlig durchschaut werden.

Viele dieser Dinge entstammen dem Bootssport, der in der Kriegsmarine gepflogen wurde. Die sehr alten Österreichischen Union Yachtclubs haben über 100 jährige Tradition, vor allem aber war das k. u. k. Yachtgeschwader in Pola, seinerzeit Gebietsvertreter der IRYU, richtungsweisend im Yacht- und Segelsport auf See.

Viele heute noch angewandte Regeln, Vorschriften und Praktiken stammen von dort; dies ist heute vielfach vergessen, und die starke Dominanz bundesdeutscher Marineliteratur führt auch leider dazu, daß österreichische Marinesprache immer mehr verschwindet, ja sogar schon als falsch beurteilt wird! Wer weiß heute noch, daß Leinen und Ketten ausgestochen werden, Reefe eingestochen, daß Segel und Flaggen - die übrigens mit Flaggenstich in die Flaggenleine eingebunden werden - gehißt und Boote an der Bordwand mit Abweisern vor schamvielen geschützt werden, daß Trossen aus Duchten gedreht sind, Segelkanten mit dem Leiktau verstärkt, und die Mißgissung "deren Richtung in dem Sinne vom gegißten zum wahren Schiffsorte angegeben wird" zur Bestimmung der Richtung und Stärke des Stromes dient.

Diese kleine Ausstellung soll auch eine Ermahnung sein, nicht alles nur und ausschließlich nach heutigem Stande zu beurteilen; Österreich ist heute zwar nicht mehr Küstenstaat, die Adria war aber doch über 500 Jahre lang "unser Meer", und unsere kleine Marine hat Großes geleistet. Der viel zitierte Einsatz Tegetthoffs in der Nordsee bei Helgoland ist ja gerade deshalb zustande gekommen, weil es in Österreich eine Kriegsmarine gegeben hat, im deutschen Bund aber nicht.

Die Aufnahme des Adriatischen Meeres und seiner Küsten ist von der k. u. k. Marine in äußerst exakter und umfangreicher Form durchgeführt worden. Selbstverständlich hat es damals - wie auch heute noch - Seehandbücher, Hafenhandbücher, Feuerverzeichnisse, Seekarten, ... gegeben, in einer Qualität, die heute oft nicht mehr erreicht wird. Fast alle den Adria-Fahrern bekannten großen Leuchtfeuer sind vor 80, 100 oder mehr Jahren schon gestanden, oft in unveränderter Form. Häfen, Molen, Wassertiefen sind in vielen Fällen gleich, und Publikationen, die in neuester Aufmachung Informationen präsentieren, sind oft weit weniger originär als sie scheinen.

Zur den schönsten und befriedigendsten Besonderheiten der Marine gehört auch, daß sich viele nautische, navigatorische und seemännisch-technische Vorschriften und Fertigkeiten in den letzten 100 Jahren praktisch nicht verändert haben. Welch herrliche Beruhigung, daß etwas vor 100 Jahren in einem Lehrbuch Geschriebenes auch heute noch unverändert gilt!

Treffpunktaufgaben (damals "Jagen", wovon übrigens das Wort Jacht kommt), Doppelpeilungen, Vier-Strich-Peilungen, stehende Peilung, loggen und loten, rechnen mit Mißweisung und Deviation, Stromdreiecke, gelten in der terrestrischen Navigation heute ganz genau so, wie vor 100 und mehr Jahren.

Wenn die kleine Ausstellung dem geneigten Besucher angenehm eine halbe Stunde vertreibt, so ist ihr Zweck erfüllt; sollte sich der eine oder andere Segelkollege jedoch in Zukunft sogar noch intensiver mit den österreichischen Wurzeln befassen wollen, so ist mehr erreicht, als zu hoffen war.

Danksagung

Herzlichen Dank sagen möchte ich meinem Segelkollegen Bruno Sperl, Bibliothekar der Universitätsbibliothek, dessen Idee zu dieser kleinen Ausstellung führte, für seine Mitarbeit und Unterstützung. Weiters danke ich Frau Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer, Direktorin der Universitätsbibliothek, für die Möglichkeit der Ausstellung und Frau Mag. Ute Bergner, Abteilung für Sondersammlungen, für ihre freundliche Unterstützung und Beratung.

Herrn Ing. Hugo Herrmann, Wien, danke ich für die Leihstellung einiger Exponate aus seiner Privatsammlung; Dank gebührt weiters vielen hier namentlich nicht genannten Bücherfreunden, die mir im Laufe der Jahre immer wieder einschlägige Werke zukommen ließen. Nicht zuletzt danke ich meiner Frau Viktoria, die mich seit mehr als 20 Jahren nicht nur im Leben, sondern auch auf See begleitet, für die Unterstützung beim Aufbau der Sammlung und insbesondere für die Hilfe bei der Auswahl der Exponate und der zitierten Textstellen.

 

 

Seemannschaft - die vergessene Qualität

"Seemannschaft ist die gewohnheitsmäßige Rücksichtnahme auf alle Umstände und Zustände, die sich aus dem Verhältnisse des Schiffes zu seinem Elemente ergeben können. Sie äußert sich ebenso in den kleinsten Verrichtungen, wie in den schwersten Kraftarbeiten. Sie erfordert die Kenntnis der für den Einzelnen in Betracht kommenden Einrichtungen des Schiffes und die Beurteilung ihres Verhaltens bei Eintritt der verschiedensten Eventualitäten."

Handbuch für Unteroffiziere des Deck- und Steuerdienstes, II. Aufl., Erster Band, Pola 1909; p 14

Die Veränderung unserer Wertmaßstäbe, die Orientierung an persönlichem Vorteil und an Bequemlichkeit, Konsumsucht und Verlust persönlichen Verantwortungsbewußtseins scheinen heute Einstellung und sogar Charakter wesentlich zu prägen. Diese veränderte Einstellung - allgegenwärtig - hemmt in vielen Bereichen den Zugang zur Basis, verhindert Verstehen und Verständnis - vor allem für Tradition und deren Ursprung - und führt zu einer oberflächlichen Behandlung aller Bereiche des Lebens mit dem Ziel, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Erfolg und persönliche Befriedigung zu erzielen.

Allerdings gibt es Bereiche, in denen diese überall bemerkbare Änderung der Werte, stark gefördert von der durchgreifenden Kommerzialisierung, zu einer völligen Orientierungslosigkeit führt, die dann -durch die immer stärkere Verbreitung - zum System wird.

Speziell im Segel- und Jachtsport ist die Hinwendung zum "industrialisierten Bootstourismus" in den letzten Jahren ganz eklatant geworden. Unbequemlichkeiten werden ausgeschaltet, Vorgänge automatisiert, technische Einrichtungen im Übermaß entwickelt und auf Booten und Jachten jeder Größe umfangreich eingesetzt. Der jährliche Segeltörn - möglichst ohne jeden Aufwand - ist zum gesellschaftlichen Muß geworden.

Gut durchorganisiert von kommerziellen Betreibern lernt der Jachttourist eine Seite des Jachtsports kennen, die ihn - erfolgreich - von Basis und Hintergründen fernhält. Vereinfachungen, Abkürzungen, Reduktion von Voraussetzungen machen aber ab dem Überschreiten einer bestimmten Grenze eingelerntes Wissen und Einstellung zur Sache einfach falsch. Durch die starke Verbreitung entwickelt sich ein Standard des Unwissens, der - von vielen Betroffenen mit Stolz präsentiert - zu einer Art Norm zu werden scheint - nach dem Motto: "Falsche Dinge, oft genug gesagt und getan, werden letztendlich richtig."

Die Entwicklung der Technik hat den Jachtsport so fehlertolerant gemacht, daß bei oberflächlicher Betrachtung tieferes Wissen völlig abkömmlich erscheint; alles verläuft kontrolliert, man startet, badet ißt, trinkt, feiert, und kehrt als großer Segler nach einigen Tagen wohlbehütet in den Ausgangshafen zurück. Hat es vielleicht doch einen Schaden gegeben, so ist mit Geld fast alles zu regeln.

Aber es gibt mehr, und dieses Mehr ist es, das eigentlich den Reiz des Jacht- und Bootssports ausmacht. Ausführliche Beschäftigung mit Wetter und See, mit Navigation und Schiffstechnik, beharrliches Arbeiten am Ruder, Kraft an den Fallen und Ausdauer an den Schoten, exaktes Einhalten von Vorschriften, pünktliches Übernehmen aller Dienste, saubere Durchführung aller an Bord notwendigen Arbeiten, vollständige und ordnungsgemäße Erledigung aller übertragenen Aufträge, auch unter schlechten Wetterbedingungen - alles langwierige, beschwerliche und unbequeme Dinge, die außerdem einen beachtlichen Zeitaufwand erfordern.

Diese unbequemen, aber notwendigen Dinge mit Ernst zu erledigen erfordert Wissen und Kenntnis, technische Fertigkeiten, Ausdauer und Beharrlichkeit, Verantwortungsbewußtsein und Nervenstärke, sehr viel Erfahrung - und das ganze ist SEEMANNSCHAFT.

Seemannschaft ist eine Lebenseinstellung, die nicht nur an Bord, sondern in jeder Auseinandersetzung mit der Umgebung Sinn und Bedeutung hat. Aber diese Einstellung, diese menschliche "Eigenschaft", ist unbequem, unmodern und heute verdrängt und vergessen.

Viele Freunde des Segelsports, die begeistert nach weiterer Information suchen, finden Lesestoff in den unzähligen modernen Publikationen, Büchern, Zeitschriften, Skripten, .... Meist wird dort der Eindruck erweckt, es handle sich um ganz neue Erkenntnisse; aber es gibt Quellen, und gerade jene Details, die dann im Kampf mit den Elementen insgesamt zum Erfolg führen, sind vor langer Zeit schon ausführlich beschrieben worden.

Gerade in der Österreichischen Kriegsmarine, die ja in gewisser Weise auch Wurzel unseres heutigen Jachtsports ist, wurde auf Seemannschaft höchster Wert gelegt. Unter den drei essentiellen Dingen, "die der Mannschaft anzuerziehen sind" erscheint unter Punkt 2. "Seemannschaft, denn diese ist eine Existenzbedingung für alles, was die See befährt."

Handbuch für Unteroffiziere des Deck- und Steuerdienstes, II. Aufl., Erster Band, Pola 1909; p 4

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