Golden-Gate-Challenge - SP in Graz 24.-25.4.2004
(von Bertram Fischer)
Der Wetterbericht für das Wochenende ließ nichts Gutes erwarten und so
zeigte sich der Himmel am Samstag beim frühmorgendlichen Aufstehen in
Mondsee auch von seiner unfreundlicheren Seite. Umso größer war daher
die Freude, als wir den Alpenhauptkamm überschritten und sich plötzlich
sogar die Sonne hinter den hellen Wolken erahnen ließ.
Der Schwarzlsee ist direkt südlich von Graz überaus verkehrsgünstig
gelegen und bietet eine eigene Autobahnabfahrt und sogar einen eigenen
Flughafen (der Einfachheit halber bei uninformierten Personen
"Graz" als Destination angeben). Das Areal selbst besteht aus
2 relativ großen Schotterteichen die miteinander verbunden sind. Über
diese Verbindung spannt sich, landschaftlich überaus reizvoll und äußerst
zuschauerfreundlich eine Hängebrücke, "Golden Gate" genannt.
Das Gelände ist eines der beliebtesten Ausflugsgebiete der Grazer,
geeignet für alle möglichen sportlichen Aktivitäten und im Sommer ein
richtiges Freizeitparadies.
Von den Veranstaltern wurde "Blondl" Schmidleitner als
Wettfahrtleiter engagiert, um auf dem, zusammenhängend mit den
geographischen Gegebenheiten, als eher schwierig bekannten Revier faire
Wettfahrten zu ermöglichen. Überhaupt haben sich die Organisatoren kräftig
ins Zeug gelegt, um den angereisten Seglern ein spektakuläres
Wochenende zu Lande und zu Wasser zu bieten: und das ist ihnen auch
gelungen!!! Angefangen hat es gleich mal damit, dass es ein sehr schönes
Polo für alle Teilnehmer gab, (leider) bei weitem keine Selbstverständlichkeit
in Österreich.
Als dann der ORF kurz nach Beginn der Startbereitschaft eintraf, zeigte
sich der Schwarzlsee zwar noch von seiner flautigen Seite, doch in der
Steiermark gehen die Uhren wohl anders. Keine 15 min mussten wir am
Wasser warten, immerhin zwischen 30 und 100m von der Slipanlage
entfernt, als sich auch schon der angekündigte Nordwind mit guten 3-4
Windstärken durchsetzte. Souverän wie gewohnt legte Blondl und seine
Crew die Bojen und schon gings zur ersten von insgesamt 10 (!)
Sprint-Wettfahrten los. Start, Luv, Dwars und Ziel waren im Teil des
Segelclubs, von der Dwars gings zuerst Halbwind zur Brücke und dann
Vorwind bis zum unteren Ende des zweiten Seebeckens, jeweils 2 Runden.
Besonders aufregend waren immer die Durchfahrten unter der Brücke
(<1m zwischen Mastspitze und Brücke), wo zur Vermeidung von
Kollisionen ein "Verkehrstrennungsgebiet" mit Rechtsvorrang
ausgelegt war. Auch war in der Nähe der etwa 20-30m breiten Durchfahrt
unter der Brücke der Wind immer am besten, was die oben und seitlich
stehenden Zuschauer, die uns Segler auch kräftig anfeuerten, ebenfalls
auf ihre Kosten kommen ließ. Im unteren Teil ist noch die
"Insel-Passage" und vor allem das "Wasserschilift-Lüfterl"
erwähnenswert, das vor allem unser steirischer Leichtwindspezialist
Raoul Otter wie kein anderer zu nutzen verstand. Damit auch alles mit
rechten Dingen zuging, war eine Jury zwecks Direct Judging am Wasser,
angeführt vom Laser-Europacup erfahrenen Gert Gsell. Er musste aber nur
einmal am Wasser eingreifen, um einen allzu Windböen-begeisterten
Segler kurz an Regel 42 zu erinnern (wer, wo, was?). Für die Zuschauer
mit an Land stehenden Boxen kommentiert wurde dies sowie die Zwischenstände,
Endplatzierungen und anderes Bemerkenswerte ebenfalls von Blondl.
Am Samstag konnten wir bei zwischendurch abflauendem Wind 4 Wettfahrten
à ca 25-30 min segeln. Bis auf die relativ kurze Startkreuz, welche
aber für die 1. Raume alles offen ließ, waren Kurs und Wind einer SP
eindeutig würdig. Der Wind drehte zwar, wie auch sonst in Österreich,
um bis zu 45 Grad, und es gab schon einen oder zwei "Parkplätze",
es blieb aber durchwegs fair und es gab keine
"Windschweinereien". Natürlich hat Blondl viel dazu
beigetragen, indem er den Kurs ständig an die gerade vorherrschende
Richtung anpasste. Erwähnenswert ist noch besonders Peter Prosser, der
in der dritten Wettfahrt eine ziemlich unsanfte Begegnung mit dem Großbaum
hatte, ohne Rücksicht auf eigene Verluste aber die Wettfahrt beendete
und erst danach mit blutüberströmtem Gesicht an Land kam. Nach einem
kurzen Krankenhausaufenthalt stieß er erst beim Segleressen mit einem
"Turban" wieder zu uns, will aber für die SP in Breitenbrunn
wieder fit sein.
Geschafft nach 4 recht anstrengenden Wettfahrten wurden wir unterdessen
gleich weiter zum unteren Ende des Sees zum anschließenden Segleressen
gelotst. Dieses fand im Restaurant "Papa Joes", einem
mexikanischen Lokal statt. Dort weiß man, was Segler nach so einem Tag
brauchen: Bergeweise Ripperl, Chickenwings, Mais, Bratkartoffel etc und
Bier in großen Gefäßen (0,7 - 1,2 Liter). Im Anschluss an das
opulente Essen gab es dann, als wären wir nicht schon glücklich genug,
noch eine große Tombola. Jeder gewann einen kleineren aber feinen
Sachpreis und dann wanderten nochmal alle Lose in den Topf und es wurden
für mehr als ein Drittel der Segler die Hauptpreise gezogen: von der
3-monatigen Fitnessstudio Betreuung über eine Festina-Uhr, Carbonpinne,
GPS-Gerät, einem echten Thonet-Sessel bis hin zum Hauptpreis - einem
neuen, gerollten Laser-Segel!!! Klotzen, nicht kleckern - Respekt!
Natürlich ließen es sich dann die meisten Segler auch nicht nehmen,
noch die ausgezeichneten abendlichen Fortgeh-Möglichkeiten von Graz zu
erkunden, doch das ist eine ganz andere Geschichte.
Für den nächsten Tag war die Starbereitschaft stimmabgabefreundlich
(Bundespräsidentenwahl) auf 10 Uhr festgelegt worden. Zu unser aller
Freude war das Wetter über Nacht noch besser geworden und so schien
endlich wieder ordentlich die Sonne, unterbrochen nur hin und wieder von
einigen Wolkenfeldern. Und, um Punkt 9.45 Uhr sprang ohne jede
Vorwarnung wieder der Nordwind des Vortages mit 2-3 Bft an. Mutmaßungen,
die Organisatoren hätten extra einen Windmaschinenpark errichten
lassen, konnten bis dato weder erhärtet noch entkräftet werden.
Jedenfalls wurden ohne lange Unterbrechungen die restlichen 6 (!)
Wettfahrten gesegelt, sodass uns schon ein wenig schwindlig wurde und
wir nach 3 Wettfahrten nicht mehr genau wussten, wie viele uns denn nun
noch auf die 10 fehlten. Zwischen den Wettfahrten war genug Zeit, die
50m zum Clubsteg zu fahren, dort anzulegen und an Land ein gemütliches
Schwätzchen, den restlichen Lasern zuschauend, zu halten. Dort wurden
dann auch kleinere Unstimmigkeiten bezüglich der Auslegung der
Vorfahrtsregeln ausgeräumt um die Jury nicht noch zusätzlich mit
Protesten zu belasten; die Radial-Segler forderten dafür gleich zweimal
eine Entscheidung am grünen Tisch ein.
Von den insgesamt 22 Standard erreichte unser nicht mehr ganz Newcomer
Raoul Otter dank herausragender Leichtwind-Performance und Böengespür
mit 2 Wettfahrtsiegen den hervorragenden 3. Platz noch vor den
punktegleichen Jaun Wickl (1 Wf-Sieg - 4. Platz) und Gregor Ernstbrunner
(5. Platz). An der Spitze kam es wieder einmal zu einer Neuauflage des
letztjährigen Duells zwischen Martl Lehner und mir, das diesmal ich mit
6 zu 1 Wettfahrtsiegen für mich entscheiden konnte, was aber am Wasser
bei weitem nicht so klar war, wie es in der Ergebnisliste scheint.
Vielmehr war "immer alles drin" und ohne ein bisschen Glück
geht's nicht. Jedenfalls wurde Martl die Ehre zuteil, dank seines Siegs
in der ersten Wettfahrt, für den ORF-Beitrag in Steiermark-Heute (am
27.4.2004, wir werden versuchen das für die Nicht-Steirer aber auch ÖLV-intern
zu veröffentlichen) ein Interview zu geben.
Bei den Radial (10 Starter - für das Frühjahr ein sehr guter Wert)
gabs ebenfalls einen spannenden Dreikampf um den Sieg, den dann relativ
deutlich Ulrike Knaus (3 Siege) für sich entscheiden konnte. Die Plätze
2 und 3 gingen punktegleich an Jakob Reiter und Claudia Bäumel (beide
mit je 2 Wettfahrtsiegen), die nach einem unglücklichen Dwarsbojenmanöver
knapp vor dem Ziel zeigte, wie man sich am Laser so richtig ärgern
kann.
Nicht nur für die Segler sondern auch für die Zuschauer wurde viel
geboten: von Bootsausstiegen (Ausreitgurt verpasst) und massig
Kenterungen bis zu wilden Positionskämpfen (auch unter der Brücke)
konnten diese alles wirklich aus der ersten Reihe sehen. Ein besseres
Revier für Eventregatten habe ich bisher noch nicht gesehen. Wege führen
direkt am Wasser um den See herum und darüber hinweg, für die an schöneren
Tagen oft mehrere Tausend Zuschauer wird so auch Segeln greifbar und
aufregend.
Graz war auf jeden Fall die Reise wert; seglerisch, gesellschaftlich,
rundherum super organisiert, freundlich... Da haben sie sich für nächstens
Jahr aber die Latte ganz schön hoch gelegt...!
LG Bertram
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