VO70 - Von Southampton nach Helsinki in 5 Tagen.
Im Rahmen einer großen PR-Veranstaltung wurde die VO70 "Mean Machine" (ex "Black Pearl") unter Skipper Andreas Hanakamp von Gosport (nahe Southampton) nach Helsinki überstellt - und ich hatte die wunderbare Gelegenheit, als Navigator daran teilzunehmen.
Die Reise startete am Donnerstag früh im Ost-Solent, ging durch den Englischen Kanal, durch die Enge von Dover und Calais, weiter entlang der belgischen und niederländischen Nordseeküste, an Ostfriesland, die Elbe einwärts bis Brunsbüttel.
Nach anfänglich wenig Wind konnte dann einige Stunden nach Dover mit Nordwest, 4 - 5 Bft, rasch gesegelt
werden, rasch mit 15 bis 20 kn, Spitzen bis 26 kn (Fahrt über Grund). Auf die Elbemündung zusteuernd konnten wir dann einige Dickschiffe überholen, was dort sicherlich etwas Verwunderung hervorgerufen hat. Die Einsteuerung in die Elbe, bis
nahe Cuxhafen, erfolgte dann mit etwa 20 kn, nach dem Abfallen kamen einige der zuvor überholten Großschiffe wieder auf und
passierten in 15 m Abstand.
Nach dem Bergen der Segel (kaum unter einer Viertelstunde möglich) vor den Schleusen teilten wir uns die alte Südschleuse mit einem
russischen Frachter. Aufgrund des Tiefgangs (4,5 m) waren wir Verkehrsgruppe 3 und mußten einen Lotsen (€ 870,-) an Bord nehmen. Nach 8 interessanten Stunden mitten im Land machten wir in Kiel Holtenau fest.
Nach einer kurzen Pause mit Crewwechsel ging es dann um Mitternacht weiter. Mit Wind aus Nordwest
setzten wir unmittelbar vor dem Schleusentor im Hafen Kiel Segel. Interessant
vielleicht die Information, daß der Motor der VO70 beim Segeln eingeklappt wird; das Ausklappen ist aber nur bei ganz geringen Geschwindigkeiten (4 - 5 kn) möglich. Wir jedenfalls segelten am Wind mit 12 - 13 kn durch den nächtlichen Kieler Hafen und die Förde.
Weiter ging es vorbei an Fehmarn, an vielen Windparks, am Gedser Rev, an Bornholm, Öland, Gotland, an Ösel und Dagö in den Finnischen Meerbusen.
Der Wind hatte inzwischen auf Südost gedreht, und mit raumem Kurs zwischen 20 und 25 kn zischten wir
mit etwas Spritzwasser Richtung Helsinki, wobei wir zwischenzeitig auch den 400 m2 großen, asymmetrischen Spinnaker probieren konnten. Am strahlenden Dienstag-Morgen erreichten wir die Einsteuerung nach Helsinki, wurden an der
Zollstation freundlichst empfangen, und legten schließlich nach einer kurzen Fahrt im Archipel in der City Marina Helsinki an.
Die Fahrt war eine Fahrt der Superlative, mit einem Boot der Superlative:
Die gesamte Strecke vom 1.202 sm wurde in genau 120 Stunden (inkl. Stehzeiten und Kanalfahrt) absolviert, also ein
Schnitt von 10 kn. Zieht man die Stehzeiten und die Kanalfahrt ab, ergibt sich ein Schnitt von über 11 kn; dabei muß man berücksichtigen, daß auch eine VO70 unter Motor kaum über 7,5 kn erreicht. Bei der Durchquerung der nördlichen Ostsee erreichten wir den Schnitt 14,17 kn über fast einen Tag.
Die Mean Machine hat eine Großsegefläche von etwa 180 m2 und für das Setzen des Segels werden
beide Coffeegrinder gekuppelt, sodaß vier kräftige Deckshände das über 200 kg schwere Segel in vernünftiger Zeit setzen können. Ist das Segel oben, wird der Segelkopf in einem Schloß mit dem Mast verbunden, das Fall kann entlastet werden. Zum Fallen des Segels muß das Schloß geöffnet werden, was bei größerem Winddruck praktisch immer bedeutet, daß ein Mann ins Top gehißt werden muß, auf etwa 32 m Höhe.
Die Mean Machine hat einen schwenkbaren Kiel von einer Länge von 4,5 m, mit Bombe etwa 7,5 t; im geschwenkten Zustand wäre die Abdrift groß, deshalb gibt es auf Masthöhe jeweils ein über 4 m langes,
versenkbares Schwert. Interessant ist vielleicht auch noch, daß beim Segeln "mit Dampf" das Vorstag eine Last von 8 t trägt. Und - was vielleicht auch nicht allen Fahrtenseglern so klar ist: Die Rennjachten haben kein Achterstag und sollte es jemals passieren, daß beide Backstage offen sind, so fällt der Mast um.
Ein einmaliges Erlebnis - sicherlich ein erstrebenswertes Ziel für jeden Segler.
Segelwelt.at bietet immer wieder Fahrten auf VO60/VO70 an, ich kann nur sagen, es zahlt sich aus!
Bernhard Kotnig